Bericht zum Herbsttreffen des BMW 6er Club e.V.
vom 16.-19.09.2021 in Hagen
Hurra, wir leben noch! (wer hätte das gedacht?)
„Hurra, wir leben noch! Was mussten wir nicht alles überstehn´ und leben noch!“ (Sängerin Milva, 1983)
Endlich können wir uns wieder treffen, wurde auch Zeit. Man ist ja direkt auf Entzug! Also mal sehen, den E-Mail Anhang mit der Ausschreibung öffnen…wohin geht die Reise diesmal…Was? Wie?? Hagen??? Wo ist das denn? Hagen? Kenne kein Hagen. Hagen ist bei uns völlig unbekannt. Also ich kenne Hagen nur als Namen. Als Nachnamen wie bei Nina Hagen, der Gruseltante die so singt wie sie aussieht und als Vornamen. Wie bei Hagen von Tronje. Dem hinterhältigen Ritter aus der Nibelungensage. Der, der den armen Siegfried (ohne Roy) hinterrücks ermordet hat. Ja macht man denn sowas? Also ich will wirklich nicht wissen, wer der Namensgeber der Stadt war, aber hätten wir nicht nach Verona fahren können? Das klingt schon mal sexy.
Wer hat dieses Treffen organisiert…mal sehen. Sigrid und Rudolf Vits? Na wenigstens ein Licht am Ende des Tunnels. Die beiden sind ja eigentlich keine Mitglieder mehr, die werden bei der Inventur einfach mitgezählt. Dann bin ich ja erleichtert. Da Amanda nun endgültig eine komplette Frischzellenkur bekommt, muss Grace wieder ran (siehe Treffen Ostwestfalen). Und nachdem ich brav auf ihre Frage „Möchten Sie die kürzeste Route wählen?“ mit „Ja Mutti!“ geantwortet habe, bekomme ich wiederum als Antwort „Auf Ihrer Route befinden sich -Pause- einundzwanzig Baustellen.“ Das „Einundzwanzig“ spricht sie dabei aus, als würde sie Schnitzel klopfen. „Ja, gib´s mir“ denke ich, sind ja nur 600 km für mich. Da rutsche ich sonst in südlicher Richtung locker über Verona…aber lassen wir das. Hauptsache wir treffen uns wieder und Hauptsache Familie Vits hat alles unter Kontrolle, denn eine Pandemie reicht ja noch nicht, es mussten auch noch Teile von NRW (wie auch anderer Regionen) mit einer Flutkatastrophe fertig werden, so auch Hagen.
Aber unser Hotel konnte zum Glück öffnen und – nachdem ich Zeugnis meiner Komplett-Sterilisation abgelegt hatte – mich mit rheinischer Fröhlichkeit willkommen heißen. Wie auch alle anderen der über 60 Teilnehmer, von denen die meisten bereits am Donnerstag angereist sind. Allesamt mit der gleichen Fröhlichkeit auf den Gesichtern als Ausdruck sichtlicher Erleichterung einfach mal wieder rauszukommen. Oder macht impfen einfach schön? Schön war jedenfalls das Wetter, noch schöner das Programm, da wir am Freitag die Autos stehen lassen konnten und mit dem Bus Richtung UNESCO Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen chauffiert wurden. Einem Industriedenkmal von Weltruf – das hat uns in unserer Liste der Besonderheiten, die wir in über 25 Jahren Clubbestehen schon gesehen haben, noch gefehlt. Über die berühmt-berüchtigte „Ruhrpott“-Autobahn A40, die zur Überraschung selbst der einheimischen Clubkollegen erstaunlich wenig befahren war, gelangten wir zum Besucherzentrum der Zeche. Am alles überragenden Fördergerüst von Schacht 12 wurden wir von ehemaligen Kumpel begrüßt und durch die Gänge und Hallen der gigantischen Anlage geführt. Zum ersten Mal war die Corona Maske willkommen, denn es war stickig, staubig und dunkel. Nun wurde auch dem Letzten von uns klar, was das Wort „malochen“ in der Realität bedeutet haben muss. Logisch, dass es an so einem Ort im Bistro kein vegetarisches Bio-Sushi gab, sondern Ruhrpott-Gulasch, also Currywurst mit Pommes. Und Mayo. Damit auch im Ansatz keine Missverständnisse aufkamen bzgl. Kalorienzufuhr. Willkommen im Pott.
Ein von seiner Heimat der Industrie und Autobahnen hellauf begeisterter Busfahrer fuhr uns danach weiter zum Baldeneysee, dem größten der sechs Ruhrstauseen. Was macht man also auf einem See? Entweder nimmt man an einer Ruderregatta teil, oder man fährt Schiffchen mit Kaffee, Kuchen und Schlagsahne. Da wir auf der Busfahrt massiv an Kalorien verloren haben und manche gar überlegten, ob sie nicht Gefahr liefen in Unterzucker zu fallen, entschieden wir uns aus gesundheitlichen Gründen für Schlagsahne & Co. Außerdem zehrt Frischluft an Deck ohnehin massiv. Da das Autobahngeflecht des Ruhrgebietes weiterhin mit fließendem Verkehr glänzte, erreichten wir das Hotel so einigermaßen pünktlich für die JHV. Nach zwei Jahren hatten wir einiges zu besprechen. Das Buffet danach wurde geplündert, als hätten wir unter Tage Kohle abgebaut und das Ruhrpott-Feeling wurde auch vom Kellner gepflegt, der einfach jeden duzte, gerade so als wären wir in Schacht 12. Egal. Lass jucken, Kumpel!
Dass Hagen auch nachts etwas zu bieten hat, bekamen wir um 3 Uhr früh mit. Leichte Damen mit holder Stimme, schwere Herren mit sonorem Bass und offizielle Autos mit blauen Lichtern auf dem Dach erfreuten uns mit einer gratis Inszenierung. Das war sicher so eine moderne Street-Perfomance, man gibt sich ja heute gerne kulturell globalisiert.
Da sind wir vom 6er Club eher traditionell veranlagt. Reinsetzen, Gas geben und losfahren. Es gab nämlich Geschnetzeltes. Wo? Na in der historischen Fabrikanlage Maste-Barendorf. Unserem Ausflugsziel am Samstag, das jeder Einzelne mit einem liebevoll gestalteten Roadbook ansteuern sollte. Soweit die Theorie. Dass ein Leithammel vorfährt und alle anderen einfach folgen entspricht eher der Realität, das funktioniert auch meistens. Bis zur ersten roten Ampel. Davon gibt es im Ruhrgebiet ein paar mehr als woanders, wie auch Autobahnzubringer, Autobahnkreuze, Schnellstraßen, Schnellstraßeneinmündungen und ähnliche Errungenschaften des deutschen Erfindergeistes. Dann beginnt der eigentliche Spaß. Dann wird der plötzlich ohne vorausfahrenden Clubkollegen allein gelassene Fahrer nervös, noch nervöser wird die Beifahrerin, die dann zum ersten Mal überhaupt ins Roadbook schaut und fragt: „Wo sind wir?“. Die Antwort „Im Ruhrgebiet“ trägt dabei nur bedingt zur Problemlösung bei und in romantischer Harmonie beginnen beide Kalorien zu verbrennen. Wie gut also, dass das Geschnetzelte serviert wurde. Da das mit dem Folgen des Leithammels so prima geklappt hat, war es also spannend zu sehen, wer es schafft beim Verlassen des historischen Ortes, an dem ab Beginn des 19. Jahrhunderts Nadeln aller Größen produziert wurden, sich an die Fersen von Wagen Familie Vits zu heften. Denn die Streckenführung verlangte Konzentration, auch wegen der bemerkenswert hügeligen Landschaft. Das letzte Stück zum Cafe „Auf´m Kamp“ hatte dann eher alpinen Charakter. Wer hätte das im Ruhrgebiet gedacht.
Aber wir haben wie immer alles gemeistert, neue Mitglieder konnten wir auch wieder begrüßen und dass man 3 Kilogramm in 3 Tagen zunehmen kann, musste nach 2 Jahren auch mal wieder bewiesen werden. Jetzt wissen wir also wo Hagen liegt. Wer der Namensgeber war, bleibt weiterhin unbekannt. Aber eines dürfte sicher sein, er oder sie war kein Vegetarier. Sondern aus´m Pott.
„Hurra, wir leben noch, was mussten wir nicht alles übersteh‘n?
Und leben noch, was ließen wir nicht über uns ergeh´n?
Der blaue Fleck auf uns´rer Seele geht schon wieder weg
Wir leben noch!“ – Auch dank Familie Vits.
Gerhard Holmer